Pressestimmen zum Koalitionsvertrag Verkehrspolitik der Schwarz-Roten-Bundesregierung
[23.11.2005] Am 12. November 2005 hat die
Schwarz-Rote-Bundesregierung den neuen Koalitonsvertrag vorgestellt. Er
enthält zahlreiche Aussagen zur zukünftigen Verkehrspolitik
des Bundes. Wir veröffentlichen nachfolgend Auszüge der
Pressemitteilungen des Fahrgastverbandes PRO BAHN, der Allianz pro
Schiene und des Verkehrsclubs Deutschland.
Fahrgastverband PRO BAHN
Die Chance für eine bessere Bahn sieht der Fahrgastverband PRO
BAHN in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD. “Die
Koalitionsparteien haben sich nicht gescheut, den Weg für
Korrekturen der Bahnreform von 1994 freizumachen, den die rot-grüne
Bundesregierung blockiert hatte," sagte Rainer Engel, Sprecher des
Fahrgastverbandes, zu dem am 12. November 2005 veröffentlichten
Vertragswerk. Wesentliche Reformschritte, die der Fahrgastverband PRO
BAHN jahrelang angemahnt hat, sollen nun vorbereitet werden: die
Regelung der Fahrgastrechte unter Ablösung der
Eisenbahn-Verkehrsordnung von 1938, eine deutlich schärfere
Kontrolle über die Verwendung von Investitionsmitteln für das
Schienennetz und die Berücksichtigung volkswirtschaftlicher
Interessen bei der Bahnprivatisierung. "Unsere Kritik am bestehenden
Zustand hat die Politik erreicht. Jetzt gilt es, diese
Programmsätze in praktische Politik umzusetzen. Die
Koalitionsparteien haben das Ergebnis dieser Reformschritte noch nicht
vorweggenommen, wir werden sie bei der Diskussion sachlich und
konstruktiv begleiten," kündigt Engel an. "Wichtig ist uns auch,
dass bei Investitionen in die Schiene mehr Sachlichkeit einkehrt und
unbezahlbare Wunschträume nicht die Oberhand gewinnen - hier sehen
wir Gefahren in dem Vertragswerk."
Allianz pro
Schiene
Die Allianz pro Schiene begrüßt die Wertschätzung des
Verkehrsträgers Schiene in der Koalitionsvereinbarung, sieht die
generelle verkehrspolitische Ausrichtung aber kritisch. "Der
Schienenverkehr wird als 'ökonomisch effizient' und 'unverzichtbar'
eingestuft, das freut uns", sagte der Geschäftsführer des
Schienenbündnisses, Dirk Flege. Auf der anderen Seite sei "das
Papier aber verkehrspolitisch wenig ambitioniert". "Für den
Umweltverschmutzer Nr. 1 in Deutschland, den Straßenverkehr,
fehlt jegliche Zielvorgabe in dem Vertragsentwurf", kritisierte Flege.
Der Schienenverkehr soll nach dem Willen der künftigen
Koalitionäre in seiner 'Wettbewerbsfähigkeit' und in seinem
'Leistungsvermögen' immerhin 'weiter gestärkt' werden.
"Greifbare Ziele aus der Nachhaltigkeitsstrategie der rot-grünen
Bundesregierung wie die Verdopplung der
Schienengüterverkehrsleistung bis 2015 werden von Schwarz-Rot im
Koalitionsvertrag aber außen vor gelassen", so der Allianz pro
Schiene-Geschäftsführer. Positiv und als "schienenfreundlich"
zu werten ist nach Einschätzung der Allianz pro Schiene die
Absicht der künftigen Koalitionäre, die Finanzmittel für
die Schienenwege des Bundes 'deutlich' zu erhöhen und 'dauerhaft
auf dem erhöhten Niveau' zu verstetigen. "Die Schiene ist der
einzige Verkehrsträger, bei dem die Mittelanhebung
ausdrücklich festgeschrieben wird", lobte Flege.
Während mehr Geld in die Bundesschienenwege fließen soll,
droht ab 2008 eine Leistungskürzung bei den Nahverkehrsbahnen. Die
so genannten Regionalisierungsmittel des Bundes, mit denen die
Bundesländer Schienenpersonennahverkehr bestellen, sollen nach dem
Willen der Koalitionäre ab 2008 für den gesamten ÖPNV,
also auch den Busverkehr, geöffnet werden. Außerdem
hätten sich die Verkehrspolitiker der Großen Koalition nicht
durchgesetzt, die in ihrem Abschlusspapier noch ausdrücklich
festgestellt hatten, dass Regionalisierungsmittel 'nicht als
Subventionen gewertet' werden. "Diese richtige und wichtige Aussage
für den Öffentlichen Personenverkehr ist gestrichen worden,
während andere Bereiche wie Wohngeld und Kulturförderung in
der Endfassung ausdrücklich vom Subventionsbegriff ausgenommen
sind", sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Flege
kündigte an, das Schienenbündnis werde die Verkehrspolitik der
Großen Koalition "kritisch-konstruktiv" begleiten.
Verkehrsclub
Deutschland e.V.
Der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) kritisiert wesentliche Elemente
in der geplanten Verkehrspolitik des schwarz-roten Koalitionsvertrages:
Die Ausgaben für den Straßenbau würden trotz knapper
Kassen auf ein neues Rekordniveau angehoben, ohne den Mitteleinsatz klar
auf Sanierung und Erhalt bestehender Verkehrsinfrastruktur zu
konzentrieren. Bei der Schiene werde der teure Ausbau von
Bahnschnellsystemen und des Transrapids angestrebt, der in der
Konsequenz zu Lasten des Gesamtnetzes gehe. Um den steigenden
Finanzbedarf zu decken, wolle die Politik künftig zusätzlich
noch privates Kapital mobilisieren. Michael Gehrmann,
VCD-Bundesvorsitzender: „Schon heute wird es immer schwieriger, das
notwendige Geld allein für den Erhalt des bestehenden
Straßen- und Schienennetzes aus dem Bundeshaushalt aufzubringen.
Die zugrunde liegenden Prognosen über ein hohes Verkehrswachstum in
den kommenden Jahren würden nicht hinterfragt, obwohl der
demographische Wandel für Finanzierung und Inanspruchnahme der
Verkehrsinfrastruktur gravierende Veränderungen mit sich bringe.
„Nach den derzeitigen Plänen müssen in Zukunft immer weniger
Menschen immer höhere Folgekosten im Verkehr tragen. Diese Rechnung
kann nicht aufgehen“, merkt Gehrmann an. Die von der Koalition
vorgesehenen Maßnahmen für Klima- und Gesundheitsschutz im
Verkehr reichen nach Ansicht des VCD nicht aus. Zwar würden
erfreulicherweise die Umstellung der Kfz-Steuer auf die Grundlage von
Schadstoff- und CO2-Ausstoß sowie die steuerliche Förderung
des Partikelfilters angekündigt, doch dies habe bereits in der
rot-grünen Regierungsvereinbarung gestanden. Es komme jetzt auf die
zügige Umsetzung an. Bei der Verbrauchsreduzierung setze die
Regierung ansonsten lediglich auf zweifelhafte Selbstverpflichtungen.
Positive Aspekte der Koalitionsvereinbarung seien die von
Umweltverbänden schon lange geforderte Abschaffung der
Eigenheimzulage und die Reduzierung der Entfernungspauschale. Aus
Verbrauchersicht sei das Vorhaben der neuen Regierung hervorzuheben,
Entschädigungsansprüche für Reisende bei
Verspätungen, Ausfällen etc. bei allen öffentlichen
Verkehrsträgern verbindlich festzuschreiben.